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EU fordert europaweite Ausschreibung von Klassenfahrten

Seit zwei Jahren müssen Städte und Gemeinden die meisten Bauleistungen und Materialbestellungen europaweit ausschreiben. So will es die Europäische Union. Verwaltungen klagen seither über unnötigen bürokratischen Aufwand, heimische Handwerker und Händler verlieren Aufträge. Während Kommunen und Handwerker klagen, plant die EU-Kommission eine weitere Verschärfung der Vergaberegeln. In Zukunft sollen selbst Bagatellaufträge europaweit ausgeschrieben werden. Dann müsste jeder Lehrer, der einen Klassenausflug plant, den Reisebus europaweit ausschreiben, heißt es in einem am 12.05.2006 auf WDR5 Westblick ausgestrahlten Beitrag.
Schulbücher zu verkaufen, war für Hans Geisendörfer aus Wuppertal lange Jahre ein sicheres Geschäft. Schulen aus der Umgebung gehörten zu seinen regelmäßigen Kunden. Doch damit ist nun Schluss. Vor zwei Jahren hat die Europäische Union (EU) dieses Verfahren verboten. Seither müssen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung den kompletten Schulbuchbedarf für die Kommune ausschreiben – und das europaweit.
90 Firmen haben sich in Wuppertal um den Auftrag beworben. Weil Bücher in Deutschland nur zu festgelegten Preisen verkauft werden dürfen, gaben alle das gleiche Angebot ab. Am Ende musste das Los entscheiden. Gewonnen haben Buchhändler aus Bayern, Hans Geisendörfer hatte kein Glück. Für ihn brach ein wichtiger Teil des Umsatzes weg. "Seither kann ich weniger Lehrlinge ausbilden, weniger Praktikumsplätze bieten und die Schulen bei Festen oder Schülerzeitungen nicht mehr unterstützen," schildert er die Folgen. "Zu den Verlieren zählt auch die Stadtverwaltung", schimpft Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung (CDU). Das Verfahren dauere mindestens vier Monate, beschere den Mitarbeitern einen gewaltigen bürokratischen Aufwand und spare keinen Cent.
Auch heimische Handwerker spüren die Vorgabe der EU. Ob in den Sommerferien Schulen renoviert werden müssen oder im Wuppertaler Zoo ein neues Gehege gebaut wird – Unternehmen aus der Region haben gegen Billigfirmen kaum noch Chancen. "Die Stadt ist verpflichtet, den auf den ersten Blick billigsten Anbieter zu nehmen", erklärt Wuppertals OB Jung, obwohl es gerade bei osteuropäischen Unternehmen in der Vergangenheit Probleme mit der Qualität gegeben habe: "Wenn Mängel an Heizungen oder Fassaden auftraten, waren die Firmen oft schon pleite, oder es gab sie nicht mehr. Wir mussten die Arbeiten dann für viel Geld nachbessern lassen. Unter dem Strich wäre es preiswerter gewesen, gleich ein seriöses Unternehmen aus der Nähe zu nehmen.
Während Kommunen und Handwerker klagen, plant die EU-Kommission eine weitere Verschärfung der Vergaberegeln. In Zukunft sollen selbst Bagatellaufträge europaweit ausgeschrieben werden. Dann müsste jeder Lehrer, der einen Klassenausflug plant, den Reisebus europaweit ausschreiben. Städtetag sowie Städte- und Gemeindebund schlagen angesichts der neuen Pläne aus Brüssel Alarm und fordern, das Vergaberecht zu refomieren. Nur noch Großaufträge sollten europaweit ausgeschrieben werden müssen. "Das würde die Verwaltungen entlasten und heimischen Firmen wieder eine Chance geben", sagt Jens Lattmann vom Deutschen Städtetag.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat die gleichen Ziele. Sie will nun die Grenzwerte für europaweite Ausschreibungen deutlich anheben. Bei Bauleistungen etwa sollen sie von 50.000 auf 300.000 Euro versechsfacht werden. Dass die EU sich solche Alleingänge nicht ohne Gegenwehr bieten lassen wird, ist Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) klar. Konflikte wolle sie jedoch in Kauf nehmen und zur Not auch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof riskieren. Auf den Ausgang ist nicht nur Buchhändler Geisendörfer gespannt. Er hofft, dass NRW sich durchsetzen kann. Auf Dauer könnten er und seine Kollegen auf das Schulbuchgeschäft nämlich nicht verzichten.