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Kinder- und Jugendreisen im Spagat zwischen Jugendarbeit und Tourismus

Hohe Anforderungen an Jugendverbände als Reiseveranstalter

Kinder- und Jugendreisen sind ein wichtiges und erfolgreiches Arbeitsfeld der Jugend(verbands)arbeit, auch wenn sie durch einen zunehmenden "Tourismusverdacht" und Kürzungen vor allem der Zuschüsse für Ferienfreizeiten auf kommunaler Ebene in der letzten Zeit zu Unrecht an förderpolitischer Bedeutung verloren haben. Der besondere pädagogische Wert von Kinder- und Jugendreisen liegt in der aus dem Alltag herausgelösten und relativ langen Lernsituation in der Gruppe und an einem fremden Ort, die tiefer gehende Zugänge und weiter reichende Erfahrungen als andere Settings der Jugendarbeit ermöglicht. Doch Veranstaltern von Kinder- und Jugendreisen wird das Leben zunehmend schwer gemacht. Hinzu kommt ein Informationsdefizit bei vielen Reiseveranstaltern aus dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit.

Viel zu vielen Jugendverbänden und vor allem ihren Untergliederungen ist nicht bewusst, dass sie schon bei regelmäßig einer Freizeit im Jahr als Reiseveranstalter im Sinne des EU-Reiserechts und des BGB gelten und daraus zahlreiche Verpflichtungen erwachsen, die Trägern aus der Kinder- und Jugendhilfe aufgrund ihrer fehlenden Selbst-Verortung im Tourismussektor oft nicht bewusst sind. Nicht immer ist überhaupt allen Beteiligten bewusst, wer im juristischen Sinne als Reiseveranstalter auftritt. Dennoch hat sich die Ausstellung von Sicherungsscheinen (Insolvenzschutz für Reisende seitens des Reiseveranstalters) – nicht zuletzt aufgrund der passgenauen Angebote aus dem Servicebereich der Jugend(verbands)arbeit – inzwischen weitgehend durchgesetzt. Haftungsfragen und Informationspflichten von Reiseveranstaltern rücken häufig erst durch die regelmäßig vorkommenden Abmahnungen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs oder spektakuläre Gerichtsurteile gegen Tourismuskonzerne in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in einem Urteil vom 18.07.2006 abermals die Haftung von Reiseveranstaltern für Mängel und versteckte Gefahren, die bei Partnern von Reiseveranstaltern auftreten (also z.B. Unterkünfte oder Sportanlagen) gestärkt. In dem Urteil wurde ein Reiseveranstalter für eine ohne Baugenehmigung errichtete Rutsche in einem griechischen Hotel haftbar gemacht, nachdem ein elfjähriger Junge aufgrund von Baumängeln in ein ungesichertes Absaugrohr geraten und ertrunken war. Das Urteil setzt den Trend zur Stärkung der Verbraucherrechte gegenüber den Reiseveranstaltern fort und erlegt den Reiseveranstaltern, also beispielsweise auch Ortsgruppen und Landesverbänden der Jugendverbände, erhöhte Sorgfalts- und Kontrollpflichten auf.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zum o.g Urteil heißt es: "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht, die ihn verpflichtet, seine Vertragshotels und deren Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie einen ausreichenden Sicherheitsstandard bieten."

Diese Anforderung mag für einen Tourismuskonzern nachvollziehbar sein, für einen kleinen Reiseanbieter aus dem Bereich der Jugendarbeit kann sie schnell zur Überforderung werden. Doch auch ein kleiner Reiseveranstalter kann Schritte zur Risikominimierung einleiten, wenn er sich an die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Vorschriften hält, z.B.:

 

– Veröffentlichung der AGB Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Reiseangebot und auf der Homepage nach Überprüfung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Experten

Korrekte Ausstellung von Sicherungsscheinen

– Besichtigung und Überprüfung von Übernachtungsstätten und Orten zentraler Programmangebote im Vorfeld der Reise bzw. schriftliche Bestätigungen durch den Gruppen(haus)veranstalter, bei dem das Haus gebucht wurde

– Schriftliche Vereinbarungen mit Teamerinnen und Teamer über ihre Aufgaben und Verantwortungsbereiche vor Ort sowie schriftliche Zusammenfassung der Mindestinhalte der vom Reiseveranstalter angebotenen Jugendleiterschulungen bzw. Reiseleiterausbildungen

– Klärung des Umfangs und ggf. Ergänzung einer bestehenden Versicherung des Rechtsträgers

– Abschluss einer Vorstandshaftpflicht für haftende Vorstandsmitglieder (BGB-Vorstand)

 

Das Urteil darf, wenn die Jugendarbeit keinen Schaden nehmen soll, nicht dazu führen, aufgrund der nochmals betonten hohen Verantwortung des Reiseveranstalters keine Reisen und Freizeiten mehr durchzuführen. Jedem Reiseveranstalter aus der Jugend(verbands)arbeit sollte jedoch die Verantwortung bewusst sein – und er sollte möglichst viele Schritte ergreifen, um sein Risiko zu minimieren. Das BundesForum Kinder- und Jugendreisen e.V. veranstaltet am 23.11.2006 einen Kinder- und Jugendreisegipfel im Deutschen Bundestag, um Experten aus den Bereichen der Jugend-, Tourismus- und Bildungspolitik über das Themenfeld Kinder- und Jugendreisen miteinander ins Gespräch zu bringen. Weitere Informationen unter www.bundesforum.de. In der Bundesgeschäftsstelle in Berlin und im Servicebereich in Leipzig erhalten interessierte Träger weitere Informationen zur Vorbereitung und Durchführung von Reisen und Freizeiten.

Ansgar Drücker arbeitet als Bundesgeschäftsführer der Naturfreundejugend Deutschlands in Remagen-Rolandseck und ist stellvertretender Vorsitzender des BundesForum Kinder- und Jugendreisen e.V.