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Muslime kennen Schwimmunterricht und Klassenfahrten aus ihrer Heimat nicht

Obwohl für Michi Herl vom Stahlburgtheater multikulturelles Flair eine Selbstverständlichkeit ist, die sich dem Frankfurter erst dann offenbare, «wenn er in die Provinz kommt und nur weiße, bleiche und gleichartige Menschen sieht», erzählen Hulisi Bayam und Saba Tewelde von Misstrauen und Feindseligkeit, die ihnen von Deutschen entgegen gebracht werden, schreibt die Frankfurter Neue Presse am 25.07.
300 Besucher verfolgten das Gespräch der drei mit Sozialdezernent Franz Frey (SPD) und Moderator Johannes Scherer (FFM) über Migration und ihre Probleme sowie Konfliktlösungen im Park zwischen Museum für angewandte Kunst und Museum für Weltkulturen. Eingeladen hatte das Sozialdezernat zur Veranstaltung «Respekt!? – Rock und Talk im Park».
Saba Tewelde, eritreische Sängerin der Band Injera Soul, und Hulisi Bayam, Unternehmens- und Wirtschaftsberater türkischer Herkunft, begründen ihre negativen Erfahrungen mit Berührungsängsten und Vorurteilen gegenüber allem Fremden. Umgekehrt hätten aber auch Migranten Vorurteile: So würden Muslime Schwimmunterricht und Klassenfahrten aus ihrer Heimat nicht kennen. Und sie könnten die scheinbar lockere Art deutscher Lehrer nicht deuten, obwohl die meisten hiesigen Schüler genau wüssten, was ver- und was geboten sei – nur dass diese allgemeinen Regeln meist indirekt vermittelt würden und daher für viele Migranten zunächst undurchschaubar blieben.
Es offenbart sich also auch an dieser Stelle einmal mehr, daß Aufklärungsbedarf herrscht in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft. Auch wird damit bestätigt, daß trotz zahlreicher guter Ansätze zum Interkulturellen Lernen bereits seit den siebziger Jahren in der Jugend-Freizeit-Arbeit noch lange nicht aufgehört werden kann. Denn erst, wenn allen bewußt ist, daß Unterschiede das Leben nur so lange schwer machen, wie sie nicht bekannt sind, wird das Ziel erreicht sein. Also heißt es in der Jugendarbeit und bei Freizeiten weiterhin interkulturelles Lernen einzuüben, um die eigenen Werte und die anderer besser zu verstehen.
Um die Ziele und Werte, die solche Institutionen vermitteln sollen, zugänglicher zu machen, rät Bayam zum persönlichen Gespräch der Lehrer mit den Eltern. Er ist überzeugt, dass sich die meisten überzeugen lassen. Dabei sei natürlich auch wichtig, dass neben der für ihn und Frey unverzichtbaren intensiven Sprachförderung von Kindern ausländischer Herkunft, auch die Lehrer Unterstützung bräuchten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden. Bayams Vision ist eines Mentoren-Netzwerks: Vorruheständlern oder rüstigen Rentnern als Betreuern könnten Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft beim Deutschlernen unterstützt und ihnen durch den Besuch kultureller Institutionen, aber auch in alltäglichen Situationen die unsichtbaren und vielleicht manchmal bedrohlich fremd erscheinenden Vorstellungen und Werte in Deutschland vermittelt.
Nicht verstehen kann er das häufig bediente Vorurteil, «die» Ausländer nähmen «uns» die Arbeit weg. Denn in Deutschland gebe es 62 000 türkische oder der Türkei entstammende Unternehmer, bei denen 300 000 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Türkische Spitzenkräfte seien aber die Ausnahme.
Saba Tewelde ist froh, dass sie sich durch ihre international ausgerichtete Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin, ihrer Arbeit in einer Bank und durch ihre Musik, «wo man ja immer ‚anders‘ sein darf, auf der sicheren Seite» bewegen kann. Hier spiele ihre Hautfarbe und die Tatsache, dass sie als Kriegsflüchtling nach Deutschland kam, kaum eine Rolle. Trotzdem wünscht sie sich ein größeres und vor allem wohlmeinendes Interesse gegenüber Fremden. Der Schlüssel hierfür könnte in ihrer Musik liegen. Denn als sie eine Kostprobe ihrer Stimmgewalt auf Tigrina, ihrer eritreischen Muttersprache, gab, wurde es für einen Moment still im Museumspark und alle Aufmerksamkeit ruhte auf der Sängerin.
Johannes Scherer hatte sich unter anderem nicht zur Teilnahme an der Diskussion entschieden, weil enge Freunde schlechte Erfahrungen mit der Ausländerbehörde in Frankfurt oder in Geschäften gemacht hatten. Auch für Michi Herl ist es immer wieder unverständlich, dass niemand seine Gehirnzellen anstrengen wolle, um sich auf Neues und Andersartiges einzulassen, um dabei dann zu bemerken, wie gut es uns im Vergleich zu den meisten Menschen dieser Erde geht, und dass an diesem Wohlstand eben andere teilhaben wollen und auch gefahrlos könnten.